In den 70er Jahren zeichnete sich ein Intensivierungstrend in der Landwirtschaft ab. Die Bewirtschaftungseinheiten wurden größer, die Bearbeitung zunehmend maschineller. Um Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu erhalten und auch um Einfluss auf einen geplanten Autobahnanschluss Richtung Herrenberg zu erhalten, kaufte der NABU Rottenburg (damals noch Deutscher Bund für Vogelschutz) im Jahr 1979 eine Fläche im Ammertal bei Unterjesingen im Gewann „Wiesbrunnen“, welches auf der Gemarkung Rottenburg liegt. Die erste Projektidee beinhaltete die Stilllegung von Drainagen um die Fläche zu vernässen und einen großen Tümpel anzulegen. So kam es dann auch. Der Tümpel wurde gebaggert und der Aushub in Form eines langen hohen Walles seitlich aufgeschüttet.
Das Gewässer entwickelte sich zu einem bedeutenden Laichgewässer für seltene Amphibienarten.
Während sich die landwirtschaftliche Nutzung durch Trockenlegung im Ammertal zusehends
intensivierte. Dem allgemeinen Naturschutzkonzept in den 80er und 90er Jahren folgend der Natur möglichst freien Lauf zu lassen und Gehölze für Heckenbrüter zu pflanzen entwickelte der NABU Tübingen, dem die Fläche von der Ortsgruppe Rottenburg übergeben wurde, das Biotop „Wiesbrunnen“ zu einer verbrachten und mit Gehölzen überwachsenen Fläche. Offenlandvogelarten wie das Braunkehlchen oder der Kiebitz können aber weder in intensiv genutzten, noch in brachgefallenen Feuchtflächen überleben. Sie sind auf extensiv genutzte Flächen angewiesen. Da
diese Art-spezifischen Lebensräume im gesamten Ammertal entfernt wurden, verschwanden in den 00er Jahren das Braunkehlchen, der Kiebitz und die Wechselkröte aus dem Tübinger Ammertal und auch die Laubfrösche wurden immer seltener. Ein erstes Umdenken in den 00er Jahren zeigte dann sehr schnell, dass die Pflege einer so großen Fläche durch mähen mit dem Einachsbalkenmäher und das mühsame Abräumen des Materials durch ehrenamtliche Pflege nicht möglich ist.
Durch Zusammenarbeit mit der Initiative Artenvielfalt Neckartal (IAN) und der Stadt Tübingen wurde im Jahr 2010 ein Pflege- und Entwicklungskonzept erstellt. Die Pflege des Wiesbrunnens wurde vorangetrieben, was vor allem durch die Hilfe der Kommunalen Service Betriebe Tübingen möglich war. Auch haben wir NABU-Aktiven uns mehr um die Fläche gekümmert und Fördermittel, wie zum Beispiel Mittel aus der Landschaftspflegerichtlinie und dem Ökokonto akquiriert, um externe Unternehmen und Landwirte mit der Pflege zu beauftragen. So konnten neue Tümpel gebaggert und Gehölze konsequent zurückgedrängt werden, um Watvögeln (Limikolen) ideale Bedingungen bieten zu können. Der Aushubwall aus dem Jahr 1980 konnte entfernt werden und durch Pacht und Kauf das Projektgebiet vergrößert werden. Das NABU Feuchtbiotop „Wiesbrunnen“ wuchs dadurch von 1,5 Hektar (in 2000) auf 4,5 Hektar (in 2020) an.